LIFESLING KONTRA HUFEISENRETTUNGSRING

Über Vor- und Nachteile beziehungsweise Einsatzmethoden hat Luis Gazzari nachgedacht.
Quelle: Yachtrevue Ausgabe 8/2011

Angeblich gehen die meisten Männer beim Pinkeln über Bord. Auch wenn dies keine Statistik belegt, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die Vermutung stimmt. Die Berichte darüber sind zahlreich, und nicht immer geht es so gut aus wie beim ersten Whitbread Race 1973/74, als auf der deutschen Yawl Peter von Seestermühe ein Mann nach der Rundung von Kap Hoorn über Bord ging. Die Crew reagierte rasch und fischte ihn rechtzeitig auf.
Man braucht also nicht glauben, das passiert ohnehin nie und wenn, dann nur bei Überlebensbedingungen. Wie auch immer, wichtig in solchen Fällen ist, dass die Crew sofort und koordiniert reagiert. Das wird in der Ausbildung gelehrt, die wesentlichen Fakten merkt man sich auch. Über die Art und Weise, wie man die Person im Wasser mit der Yacht erreicht, gibt es verschiedene Methoden, wobei in letzter Zeit allgemein das Quick-Stop-Manöver favorisiert wird, das auch die ISAF in ihren Offshore Special Regulations vorschlägt. Seriöse Untersuchungen in den USA haben nämlich ergeben, dass der Quick-Stop den konventionellen Person-über-Bord- Varianten – etwa halbwind weg und nach Halse oder Wende zurücksegeln – in den meisten Fällen überlegen ist.

Ideal ist der Quick-Stop in Kombination mit einem Lifesling. Dabei handelt es sich um einen U-förmigen Auftriebskörper mit einer 40 Meter langen, schwimmfähigen Leine, deren Ende am Schiff befestigt wird. Lifesling und Leine werden in einem geschlossenen Plastiksack am Heck aufbewahrt und so vor UV-Strahlung geschützt. Der Lifesling wird (entweder im passenden Augenblick oder auch sofort) über Bord geworfen und die Person dann mit der Yacht „eingekreist“, damit Erstere die Leine zu fassen bekommt (siehe Darstellung „Quick-Stop plus Lifesling“). Weiters ist der Auftriebskörper so konstruiert, dass der Verunglückte mit dem Körper hineinschlüpfen kann und dadurch leichter geborgen werden kann. (Ausführlich über Lifesling und Quick-Stop in Yachtrevue 5/2010.) So weit so gut. Aber Lifesling und Quick-Stop allein genügen bekanntlich nicht, weil die Person über Bord unter Umständen rasch nicht mehr zu sehen ist, zum Beispiel in der Nacht oder bei schwerem Seegang. Deshalb ist es unumgänglich, sofort ein schwimmfähiges und möglichst gut sichtbares Objekt nachzuwerfen, an dem sich der Verunglückte festhalten kann. Das kann etwa ein Fender sein, ist aber im Optimalfall ein Rettungsring kombiniert mit einem schwimmfähigen Blitzlicht, das sich im Wasser automatisch aktiviert. Gefährliche Kombination. Solche Hufeisenrettungsringe plus Blitzlicht findet man in Kombination mit 20 Meter langer Schwimmleine aus Polypropylen auf vielen Yachten; in Kroatien ist diese Sicherheitsausrüstung für Charteryachten gesetzlich vorgeschrieben. Sie hat aber zwei große Nachteile:

1.) Polypropylen ist nicht UVstabil und die Leine altert rasch; sie wird dadurch schnell hart, beinahe steif und kinkt. Überdies ist sie meist seit Monaten fest zusammengeknotet. Die Gefahr, dass man nur ein Knäuel über Bord werfen kann, ist groß.

2.) Die Leine ist in der Regel am Ende mit der Yacht verbunden. Aus diesen beiden Tatsachen folgt: Der Rettungsring wird relativ knapp hinter der Yacht mitgezogen und die Person hat keine Chance den Ring zu erreichen; wie soll man sie dann bei Finsternis finden? Fazit: Solche Rettungsring- Leinen-Licht-Kombinationen müssen selektiv angewendet werden: tagsüber, bei guten Sichtverhältnissen wie ein Lifesling zum Einkreisen der Person. Dafür ist es notwendig, die Leine entsprechend vorzubereiten, damit sie sich im Falle eines Falles leicht entwickelt; das kann unter Umständen schwierig sein. Bei Nachtfahrten oder sonstigen erschwerten Sichtbedingungen empfiehlt es sich hingegen, die Leine gar nicht mit der Yacht zu verbinden, damit die Person über Bord Ring und Licht erreichen kann. Das Manöver muss dann natürlich exakter gefahren werden, weil die Leine zum Einkreisen der Person nicht mehr vorhanden ist, sondern im Wasser treibt; auch gefährlich, weil sie überfahren werden und in den Prop kommen könnte. Unter Umständen ist es sogar sinnvoll, den Rettungsring plus Blitzlicht von der Leine zu trennen, weil die Markierung des Unfallortes beziehungsweise der Person am wichtigsten erscheint. Allerdings besteht dann die Gefahr, dass der Rettungsring zu rasch abtreibt. Es versteht sich von selbst, dass man die Funktionstüchtigkeit des Blitzlichtes vor Törnantritt.

Quelle: Yachtrevue Ausgabe 8/2011

Quelle: Yachtrevue Ausgabe 8/2011